Am Beispiel von Hähnchen auf wirtschaftliche Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht
13.10.2015
Von: Sven Mohr
Mit dem Titel "Billig - billiger - am Billigsten: Hähnchen reisen um die Welt" fand im Kinder-, Jugend- und Familienhaus Anfang Oktober eine Fachveranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema Agrarexporte statt. In einer Expertenrunde wurde am Beispiel des Hähnchens analysiert wie es sein kann, das Produkte aus der Europäischen Union in Afrika günstiger verkauft werden können, als die vor Ort produzierte Ware. Eingeladen hatte das Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland e.V. in Kooperation mit dem Lokalen Bündnis für Familie Saarlouis, der Fairtrade-Stadt Saarlouis und dem entwicklungspolitischen Dachverband Lothringens, Réseau MultiCooLor.
Mit einem simplen aber dennoch nachdenklichen Kurzfilm wurde die Fachveranstaltung eröffnet. Zu sehen war eine Frau, welche ein Hähnchen filetiert. Bis auf die Hähnchenbrust landet der Rest des Geflügels unachtsam im Müll. Diese Vorgehensweise zeigt im Kleinen, was in der Wirtschaft im großen Stil betrieben wird. Die Liebe der Europäer zur Hähnchenbrust ist innerhalb der letzten Jahrzehnte extrem gestiegen. Für dieses Teilstück des Huhns sind die Konsumenten bereit viel Geld ausgegeben. Für den Rest des Tieres gibt es auch hierzulande keine großen Abnehmer. Durch den hohen Ertrag des Edelstückes und weiterer Agrarsubventionen durch die Europäische Union (EU) ist es möglich, die restlichen Fleischteile zu Billigpreisen nach Afrika zu verkaufen. Auch die Zollkosten, welche derzeit noch von der EU in Afrika gezahlt werden müssen, können daran nichts ändern. So exportiert die EU, laut statistischer Aufstellung Ghanas aus dem Jahr 2007, 45 Prozent Hähnchenviertel, 14 Prozent Hähnchenflügel und fast 10 Prozent ganze Hähnchen in den Westafrikanischen Staat. Unter dem Strich kostet demnach ein ganzes importiertes Huhn aus der EU weniger, als ein lokales afrikanisches Lebendhuhn.
In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Welthandel verneunfacht. Doch trotz diesem enormen Zuwachs profitiert nur ein geringer Teil der Weltbevölkerung davon. Besonders in Afrika werden kleinbäuerliche Produzenten durch die derzeitige Wirtschaftspolitik benachteiligt. Der globale Handel hat bei ihnen nicht zur menschlichen Entwicklung und Wohlstand beigetragen. Eine wettbewerbsverzerrende Wirtschaftspolitik der großen Industriestaaten und Großkonzerne macht es der afrikanischen Wirtschaft immer schwerer, sich mit dem Rest der Welt auf Augenhöhe zu begegnen.
In seiner Rede ging der Referent für Agrarhandel und Fischerei, Francisco J. Mari, weiter auf einzelne Details ein. Er machte auf das Elend der Menschen aufmerksam, welche in ihren Ländern kaum eine Chance auf Entwicklung haben. Der Handel kann auch im positiven einen Wandel bewirken, dieser fällt jedoch anhand der derzeitigen Wettbewerbspolitik auf dem afrikanischen Kontinent negativ aus. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden auch Möglichkeiten zur Bekämpfung der Chancenungleichheit angesprochen, moderiert von dem Geschäftsführer des Netzwerkes Entwicklungspolitik im Saarland e.V. (NES) Harald Kreuzer. Francisco J. Mari, welcher auch für den Evangelischen Entwicklungsdienst Brot für die Welt aktiv ist, stellte besonders die Exportsubventionen der EU in Frage. Auch das derzeit umstrittene Wirtschafts- und Partnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements - EPAs) sprach er an. Seit vielen Jahren haben Afrikas Exporte zollfreien Zugang in die EU. Die EU drängt jedoch darauf, ebenfalls für mindestens 80 Prozent ihrer Exporte, zollfreien Zugang zu den afrikanischen Staaten zu erhalten. Dadurch würde Afrika laut Schätzung jährlich rund zwei Milliarden Euro an Zolleinnahmen verlieren.
"Auch die Kreisstadt Saarlouis möchte als Kommune einen aktiven Beitrag zu der Bekämpfung dieses Missstandes leisten. Als Fairtrade-Stadt haben wir einen Bildungsauftrag vor Ort. Dieser welcher darin besteht, mit solchen Veranstaltungen Menschen für Schwerpunktthemen zu sensibilisieren,“ so der Ansprechpartner der Kommune des Projektes "Faire Stadt Saarlouis" Michael Leinenbach. Seit 2011 ist Saarlouis Fairtrade-Stadt. Die Stadt verpflichtet sich, den Gedanken des fairen Handels zu unterstützen. So sollen bei Sitzungen des Stadtrats und der Ausschüsse nur fair gehandelte Produkte verwendet werden. Gleiches gilt für repräsentative Veranstaltungen. Außerdem werden Kindertagesstätten, Schulen, soziale Einrichtungen und Betriebe mit Bildungsangeboten einbezogen.